Dr. Alfred Adler (geboren am 7. Februar 1870 in Wien) – österreichischer Neurologe, Psychiater, Psychologe und Pädagoge, Begründer der Individualpsychologie. Sein Vater war ein jüdischer Kaufmann und seine Mutter eine Hausfrau. Alfred Adler heiratete die feministische Wissenschaftlerin Raissa Epstein, mit der er vier Kinder hatte.
Adler begann seine medizinische Tätigkeit als Augenarzt und Neurologe. Als er jedoch beobachtete, wie seine Patienten ihre Behinderungen kompensierten, beschloss er bald, sich mit der neu entstehenden Psychiatrie zu befassen. Im November 1895 schloss er sein Medizinstudium an der Universität Wien ab. Nach Abschluss seines Medizinstudiums kam er mit der Psychoanalyse in Berührung, die damals durch Sigmund Freud aufblühte, den er 1899 persönlich kennenlernte. 1902 nahm er auf Einladung Freuds an der Zentralen Psychologischen Gesellschaft teil, die wöchentliche Sitzungen zur Psychoanalyse abhielt. In der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) bekleidete Adler (von Freud als eigenständiges Talent auf dem Gebiet der Psychoanalyse anerkannt) verschiedene Positionen. Er war von 1908 bis 1911 ihr erster Präsident, ein Amt, das dann von Freud übernommen wurde und bis 1938 inne hatte. Alfred Adlers Entwicklung eigener Theorien, von denen einige im Widerspruch zu Sigmund Freuds früherem Theoriewerk standen, führte zu kontroversen Diskussionen innerhalb der WPV, die ihn schließlich 1911 zum Austritt aus der frühen Gruppe der Psychoanalytiker zwangen.
Im Jahr 1911 gründete Adler eine Gesellschaft mit dem Namen Freie Psychoanalytische Gesellschaft, die ein Jahr später in Gesellschaft für Individualpsychologie umbenannt wurde.
Adler entwickelte seine eigene Persönlichkeitstheorie und fügte der damals vorherrschenden These Freuds, wonach die Libido der einzige und primäre Regulator des menschlichen Verhaltens sei, eine alternative Theorie über die Funktionsweise des Aggressionstriebs hinzu. Bis zu einem gewissen Grad erkannte Adler neben dem Unbewussten auch die Gültigkeit der bewussten Ziele des Menschen an, die Motivatoren für Verhalten und nervöse Symptome sein können. In gewisser Weise hat er einige der Thesen der heutigen theoretischen Strömungen unter dem Dach der Internationalen Psychoanalytischen Gesellschaft vorweggenommen, wie die Psychologie von Heinz Kohut, die Objektbeziehungstheorie von wd. Melanie Klein, die feministische Psychoanalyse von Karen Horney oder die Ich-Psychologie von Heinz Hartmann, die alle erst viele Jahre nach Freud entstanden sind.
Darüber hinaus lenkte der Umgang mit Kinderkrankheiten sein Interesse auch auf die Pädagogik. So gründeten er und seine Kollegen im Rahmen der Wiener Schulreform 30 Erziehungsberatungsstellen und gezielte psychoanalytische Kindergärten für Kinder aus Arbeiterfamilien in Wien.
In dieser Zeit erlangte die Lehre Adlers Anerkennung und fand zunehmend Verbreitung in der ganzen Welt, auch in Polen. Über Adler als Arzt und Mensch vor dem Hintergrund der persönlichen Erinnerungen von Dr. Maksymilian Blassberg in Krakau 1917 – lesen Sie in der polnischen Ausgabe der Polska Gazeta Lekarska von 1935 (siehe Bild ). Die deutsche Übersetzung von Hanna Marx und Nestor Kapusta welche in der Zeitschrift für Individualpsychologie 04/2022 erschien, finden Sie hier.
Seine Lehre verbreitete sich ab 1926 vor allem in den USA, wo sich später durch die Weiterentwicklung der Theorie durch Rudolf Dreikurs eine eigenständige Strömung der Adler’schen Psychologie in einem stärker pragmatisch-lösungsorientierten Stil etablierte. Diese Strömung findet sich nach dem Tod von Dreikurs, trotz ihrer stärkeren Abgrenzung von den übrigen europäischen Strömungen, welche die gemeinsamen Wurzeln der Individualpsychologie in der Psychoanalyse anerkennen, gleichberechtigt in der Internationalen Vereinigung für Individualpsychologie (IAIP) wieder.
Adler hielt viele Vorträge über seine Theorien und Techniken in der ganzen Welt. Am 28. Mai 1937 starb er während einer Vortragsreise in Aberdeen, Schottland.
Eine detailliertere Geschichte der Individualpsychologie in Österreich finden Sie auch hier: